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Urlaub auf Abwegen - dritter Teil

Die Auswahl im Restaurant war in etwa so prickelnd wie eine Benjamin Blümchen Kassette. Ole entschied sich für ein Jägerschnitzel und rollte entnervt die Augen bei dem Gecirce, das sein Vater und die hohle Nuss veranstalteten. Nicht nur, dass die Trulla in seinen Klamotten oberpeinlich aussah. Ihre Gespräche waren mindestens genauso belämmert. Als ob irgendjemand sich für arme afrikanische Kinder, Bentjes alte Nachbarin oder die neue Liedauswahl des Gesangvereins interessierte. Aber sein Vater honorierte ihr unsinniges Geplapper mit „Ah“ und „Oh“, als erklärte sie ihm ihre Erfindung zur Rettung der Menschheit. Ole hoffte nur, dass er im Alter nie so stumpf werden würde. 

Beim dritten Bier endlich gelang es ihm, komplett auf Durchzug zu schalten, und sich nur auf die Fliegen zu konzentrieren, die über ihren längst leer gegessenen aber immer noch nicht abgeräumten Tellern kreisten. Im Kopf formulierte er die Sätze, mit denen er im Forum seine desaströse Situation beschreiben würde. herold_wolf hatte schon einmal einem Freund in Not geholfen. Hoffentlich würde er auch Oles Rettung werden. Er musste nur erst sein Handy zurückhaben.

 

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Bentje entspannte beim Essen. Ole hatte endlich aufgehört, pausenlos rumzuschimpfen. So konnten sie und Georg ein bisschen plaudern. Georg war ein prima Zuhörer. Bei ihm hatte sie nie das Gefühl, etwas Peinliches zu sagen oder mit ihrer Ansicht anzuecken. Sie tranken eine Flasche Rotwein, der zwar nicht besonders lecker, aber dafür erstaunlich teuer war. Doch Georg hatte ihr versichert, dieses Wochenende solle es ihr an nichts fehlen und den Wein trotz ihrer Einwände bestellt. Bentje hoffte, sich ein bisschen Bettschwere antrinken zu können. Die Vorstellung, die Nacht gemeinsam mit Georg und Ole im Wohnmobil zu verbringen, verursachte ihr mehr nervöses Kribbeln im Magen, als sie zuzugeben bereit war. Sie hielt sich nicht für prüde, und sich allein mit Georg auf so engem Raum und ohne Rückzugsmöglichkeit aufzuhalten, hätte ihr vermutlich nichts ausgemacht. Sich aber vor dessen pubertärem Sohn umziehen zu müssen und dann alle gemeinsam im Camper zu schlafen, machte sie doch ein wenig zappelig.

Als sie schließlich beim Wohnmobil ankamen, nahm sie darum Georgs Vorschlag, einen kleinen Spaziergang zu machen, gerne an. So hätte sie Georg endlich ein bisschen für sich alleine und die beängstigende Nacht noch etwas aufgeschoben.

 

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„Hier hast du dein Handy zurück“, sagte sein Vater. Ole schnappte sich das Smartphone und steckte es blitzschnell in die hintere Hosentasche. 

„Wir gehen noch ein bisschen spazieren. Bau du doch schonmal dein Bett. Und mach keinen Scheiß, okay. Wir sind bald zurück.“

Nach diesen Worten seines Vaters zogen die beiden endlich los und Ole ließ sich seufzend auf den Sitz sinken. Was für ein Scheiß, hier mit denen festzusitzen. Ole kramte in seinem Rucksack, fand, wonach er suchte, stieg aus und zündete sich den Joint an. Dieses Mal konnte er ihn hoffentlich ungestört und bis zum letzten Zug genießen. 

Noch während des Rauchens rief er den Chat mit herold_wolf auf und klagte ihm sein Leid.

„Alter, es ist echt nicht auszuhalten.“

„Was dich nicht umbringt, macht dich härter.“

„Ja, aber du kannst es dir nicht vorstellen. Die Trulla ist einfach nur behämmert.“

„Du kannst von einer Frau die ‚Bentje‘ heißt, nichts erwarten. Woher kommt die eigentlich?“

„Keine Ahnung. Ey und mein Alter ist voll gewalttätig.“

„Wirklich? Was hat er gemacht?“

„Der knallt mir ständig welche. Und zuletzt hat er mir mein Handy abgezogen. Darf der das überhaupt?“

„Nein, das ist ein Eingriff in dein Persönlichkeitsrecht und deine Privatsphäre.“

„Siehste, sag ich ja. Es ist echt nicht auszuhalten.“

„Dass jemand wie dein Vater ein Kind bekommen und erziehen darf, ist wirklich bedauerlich.“

„Genau meine Meinung“

„Dabei müsste dein Vater erst einmal lernen, wie er sich zu verhalten hat.“

„Pff, der ist zu blöd, um irgendwas zu lernen.“

„Das käme auf einen Versuch an.“

„Wie meinst du das?“ Ole merkte leise Hoffnung in sich keimen. Nachdem herold_wolf seinen Plan beschrieben hatte, saß Ole mit feistem Grinsen im Gesicht auf dem Rasen und trommelte voll triumphaler Vorfreude mit seinen Fingern auf dem Boden.

 

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