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Urlaub auf Abwegen - achter Teil

Bentje guckte suchend den Strand entlang. Überall wimmelte es von Menschen, die eilig ihre Sachen zusammen suchten, Handtücher ausschüttelten, Schwimmringe aufrollten und ihre Kinder vor sich her scheuchten. Alle versuchten, vor dem Regenguss und dem nahenden Gewitter ins Trockene zu gelangen.

Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, Georg und Ole in diesem Durcheinander finden zu wollen. Bentje versuchte es trotzdem. Laut rufend lief sie die Promenade entlang, abwechselnd zum Wasser und zu den Lokalen gegenüber schauend. Der Wind zerrte an ihrer dünnen Bluse und trug ihre Rufe mit sich fort. Niemand antwortete, kein Mensch achtete auf sie. Wie ferngesteuert lief Bentje durch die Menge, rief weiter, wurde leiser, blieb stehen, drehte sich suchend einmal um sich selbst und rannte wieder los. Es war nutzlos, das war klar. Aber was sollte sie stattdessen tun? In Ermangelung einer Alternative stolperte sie weiter.

 

*****

 

„Das kann doch wohl nicht wahr sein“, schimpfte Georg. „Wo ist die denn?“

Es regnete heftiger. Er stand neben Ole dicht ans Wohnmobil gedrängt auf der dem Wind abgewandten Seite und sah sich ratlos um.

„Und dann legt sie noch nicht einmal den Schlüssel aufs Rad“, moserte er.

Dicke Tropfen klatschten ihnen ins Gesicht.

„Wie kann man nur so blöd sein?!“ Er ballte die Hände zu Fäusten.

„Aber echt“, bekräftigte Ole.

Georg stutzte. „Rede nicht so über meine Freundin!“

„Machst du doch selber“, konterte sein Sohn.

Georg holte aus und verpasste Ole eine schallende Ohrfeige.

 

*****

 

Bentje war nass bis auf die Knochen. Donner krachte über ihr, sie fuhr zusammen. Ein Blitz zuckte gleißend oben am Himmel. Es hatte keinen Zweck, weiter zu suchen. Unter Umständen saßen Georg und Ole in irgendeiner Eisdiele, oder warteten das Gewitter in einem Kiosk oder bei der Bootsvermietung ab. Sie drehte um und lief zurück.

 

*****

 

Wie wütende Hunde standen sie sich gegenüber, taxierten den anderen und waren zum Sprung bereit. Ole war fassungslos. Bisher hatte sein Vater ihn nie geschlagen. Oles Hände zuckten, als würden sie sich selbständig machen und Georg eine verpassen. Er atmete schnaufend, bis er sicher war, seine Stimme unter Kontrolle zu haben. „Das wird dir noch leidtun!“

 

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Georg bereute seinen Ausrutscher. Der Junge trieb einen aber auch zur Weißglut. Im Moment sah es sogar so aus, als würde er erwägen, zurückzuhauen. Das würde Ole nicht wagen, oder?

„Georg!“ Aus der Ferne hörte er jemanden seinen Namen rufen. Er kniff die Augen zusammen, um durch den Regen besser zu sehen. Bentje kam pudelnass und mit rudernden Armen auf sie zugelaufen. Sie rief etwas, doch Georg verstand sie aus der Entfernung nicht.

 

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Ein alter Corsa mit Rostflecken an Kühler und Kotflügeln kam angeprescht. Die Reifen spritzten Wasser aus Pfützen auf und warfen dreckigen Schotter gegen Bentjes Beine. Mit quietschenden Bremsen hielt das Auto neben dem Wohnmobil. Vier Männer stiegen aus. Groß, kräftig, finstere Mienen, einer trug einen Baseballschläger.

 

*****

 

Ole trat einen Schritt auf die Kameraden zu. „Da seid ihr ja“, sagte er.

Georg traute weder Augen noch Ohren.

„Bist du Triskele?“, fragte einer der vier und schaute dabei Ole an.

„Ja“, sagte Ole. 

„Nein“, meinte Georg gleichzeitig und sah seinen Sohn entgeistert an.

„Beste Grüße von herold_wolf sollen wir dir bestellen“, sagte der Kerl, trat einen Schritt zur Seite und ließ seinen Kumpel mit dem Baseballschläger vorbei.

 

*****

 

Bentje schrie. Sie war etwa hundert Meter entfernt, außer Atem und völlig machtlos. Sie sah, wie der erste Schlag Georg in den Bauch traf, was ihn zusammenfallen ließ wie ein Klappmesser. Gleich darauf riss einer der Männer seinen Kopf an den Haaren wieder hoch und drosch ihm die Faust ins Gesicht. Blut spritzte. Ole schrie auf.

 

*****

 

Das kurze Hochgefühl wich augenblicklich panischer Angst. Ja, er hatte gewollt, dass sein Vater eine Abreibung bekam, dass ihm jemand einen Schrecken einjagte und klarmachte, was für ein Waschlappen er war. Aber das hier? Mit dem zweiten Schlag war Blut und Speichel seines Vaters durch die Luft geflogen und klebte nun an seiner, Oles Wange.

Regungslos glotzte er auf die Szenerie.

 

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