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Warum wunderst du dich?

Als ich heute aus der Tür gehen will, versperrt ein Engel meinen Weg. Er sagt: „Warum wunderst du dich? Du weißt doch, dass ich komme.“

Ich sehe auf meine Uhr und trete nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ja weißt du“, sage ich, „ich freue mich ja auch, dich zu sehen. Aber ausgerechnet heute habe ich leider gar keine Zeit.“

Der Engel weicht keinen Schritt zur Seite. „Du schickst mich weg?“

„Nein“, winke ich energisch ab. „Natürlich nicht. Nur ... können wir einen anderen Termin ausmachen?“

Der Engel verschränkt die Arme vor der Brust. „Wann würde es dir denn passen? Morgen vielleicht?“

Im Kopf rufe ich das Bild meines Terminkalenders auf und rattere durch die Einträge. „Hm ...“, ich suche nach einer Lücke. „Morgen ...“, finde aber keine. „Also ehrlich gesagt ...“, mir bricht der Schweiß aus. „Ich will mir ja auch richtig Zeit für dich nehmen ...“ Ich kapituliere. „Am besten wäre der 28. Dezember. Da hätte ich den ganzen Tag Zeit. Der 27. ginge vielleicht auch, aber dann ist es noch nicht aufgeräumt. Nach dem Fest muss man ja doch mal eben mit dem Staubsauger durchgehen.“

Ich schaue auf und erschrecke. Der Engel steht mit hängenden Schultern und funkelnden Tränen in den Augen vor mir.

„Es tut mir leid“, beeile ich mich, zu sagen. „Wenn es dir so wichtig ist, finde ich sicher auch schon früher ein bisschen Zeit für dich.“ Ich will mich gerade wieder gedanklich in meinem Kalender versenken, da nimmt der Engel meine Hand und drückt sie fest. Augenblicklich bin ich im Hier und Jetzt angekommen. Da steht ein Engel vor meiner Tür. Und ich will ihm einen Termin einräumen.

„Es sollte DIR wichtig sein!“, sagt er. 

Dabei habe ich es gerade selbst verstanden. Mit einem tiefen Seufzen danke ich Gott für seine Boten und bitte den Engel herein.

 

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