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Tauschhandel

Weil der Advent zu teuer war und sie sicherheitshalber in ihre Heimatstadt zurückgekehrt waren, verpassten sie das große Spektakel.

 

Ein buntes Zelt war auf dem Marktplatz errichtet worden und unter blinkenden Lichtern und tosendem Applaus waren all jene durch die Manege gezogen, von denen man meinte, sie könnten der ersehnte Retter sein. Die Darbietungen hätten verschiedener nicht ausfallen können: Frauen mit sanfter Stimme und charismatischem Auftreten waren ebenso darunter, wie Männer mit großen Worten und Kettenrasseln. Ein kleines Mädchen hatte für besondere Aufmerksamkeit gesorgt. Sie hatte an das Mitgefühl und die Solidarität aller appelliert. Doch am Ende war das Zelt von einem Sturm verworfen worden und keiner der Retter war geblieben. Die blinkenden Lichter waren erloschen, der Applaus verklungen und schon bald hatte niemand mehr auch nur einen Gedanken an das Ereignis verschwendet.

 

Doch sie, denen der Advent zu teuer gewesen war und die deswegen in ihre Heimat zurückgekehrt waren, sie saßen daheim versammelt um einen Tisch. Eine Kerze flackerte sanft im Lufthauch, in dem das Versprechen auf den Retter spürbar war. Sie beteten an eine höhere Macht, sie möge ihn endlich schicken und sie erlösen. Sie sprachen leise miteinander und malten sich aus, wie es würde, wenn er käme und alles zum Besseren wendete. Sie konnten den Frieden förmlich riechen und spürten die Wohltat der Nächstenliebe. Das Paradies schien zum Greifen nahe. 

 

Als die Kerze heruntergebrannt und kein leibhaftiger Heilsbringer in Sicht war, krempelten sie die Ärmel hoch und begannen selber, sich und ihre Welt zu retten – jeden Tag ein Stückchen. Und als der Advent sich dem Ende näherte, entzündeten sie erneut eine Kerze, saßen im flackernden Licht des verheißungsvollen Lufthauchs und waren dankbar für all das Gute, das ihnen widerfahren war.

Nie fühlten sie sich einem Retter näher als an diesem hellen Abend.

 

 

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Nimm ein Buch, Seite 17, vierte Zeile - ersetze irgendein Wort durch "Advent" und schreib weiter.

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